Naifanchin

Die drei Tekki Kata entstammen ursprünglich einer einzigen gesamten Kata, der sogenannten Kata Naifanchin.

Der Ursprung, wie auch der Name dieser Kata Naifanchin sind recht widersprüchlich. Matsumura Sokon (1796-1893) hat die Kata entweder auf seinen Reisen nach China dort gelernt oder aber von chinesischen Reisenden, die sich in Okinawa aufgehalten haben. Diese Kata bildete zunächst über viele Jahre die Basis für das Lernen von Karate. Im Shotokan Karate sind dies heute die Heian-Kata; eine Form der Kata Naifanchin, die Tekki Shodan wird erst zu Beginn des Braun-Gurt Grades gelernt. Die beiden weiteren Formen Tekki Nidan und Tekki Sandan sind dort nicht einmal Voraussetzung für den 1. DAN.

Itosu Anko bezeichnete die Kata Naifanchin als die einfachste, aber auch am schwersten zu lernende Kata. Er selbst hat die Kata in drei Versionen abgebildet, in Shodan, Nidan und Sandan. Diese Versionen, wie auch seine Heian/Pinan Kata, hat er für die Einführung des Karate in Schulen konzipiert und dort gelehrt.  Im Shotokan Karate gibt es die Kata Naifanchin in den drei Versionen Shodan, Nidan und Sandan, im Wado-Ryu dagegen wird sie als eine Gesamtkata gelehrt.

Die Naifanchin Kata sind durch ihr einzigartiges Embusen völlig anders strukturiert als die Heian Kata und alle anderen Kata im Shotokan Karate. Ihre erste Bewegung geht nach rechts, und nicht, wie sonst üblich bei den Kata, nach links. Man selbst bewegt sich ausschließlich auf einer geraden Linie, seitwärts. Die Techniken richten sich dabei nach rechts, nach links und nach vorne.

Oftmals werden in den Dojos die obskuren Geschichten erzählt, die Kata Naifanchin bediene das Kämpfen auf den engen Gängen eines Bootes, eines Schiffes, oder auf den Bootsstegen selbst, oder gar das Kämpfen auf den engen Wegen durch die Reisfelder. Man muss wissen, dass jede Kata so geschaffen wurde, dass sie für sich ein abgeschlossenes Kampfsystem zur Selbstverteidigung darstellt. Wer eine Kata beherrschte, war ein fähiger Kämpfer in jeder Lebenssituation. Eine Kata ausschließlich dafür zu schaffen, um ein fähiger Boots- oder Reisfeldkämpfer zu sein, macht keinen Sinn. Die meisten Kämpfe finden woanders statt.

Die Kata Naifanchin bedient das seitliche Kämpfen (sideways fighting), und dies im Nahbereich. Die seitlichen Schritte in der Kata dienen dazu, sich zu einem Gegner neu zu positionieren, der eben noch mittig vor einem stand, um ihn nun zu treffen oder um auf seinen Angriff reagieren zu können. Man kämpft weder direkt nach vorne, noch direkt zur Seite. Man kämpft seitlich zum Gegner. Die Übersetzschritte dienen dazu, sich vor- bzw. rückwärts zu bewegen, ohne die Auslage der Arme verändern zu müssen.

Die für einen Kampf günstigste Ausrichtung zum Gegner ist die Links- oder Rechtsauslage. Man steht dabei mit den Füßen längsdiagonal zum Gegner. Durch die Übersetzschritte kann man sich dem Gegner nähern, man kann ihm nachsetzen, man kann mit der Fußkante eines seiner Beine angreifen, oder man kann mit dem eigenen Bein hinter den vorderen Fuß des Gegners gelangen.

Funakoshi Gichin hat den Namen Naifanchin Kata 'japanisiert' und in Tekki Kata umbenannt. Die beiden Kanji hierzu werden übersetzt mit 'Eisen' und 'Reiten'. Was dann oft, im Zusammenhang mit dem in der Naifanchin vorherrschenden Stand Kiba-Dachi zu so unbedachten Aussagen führt, wie, Tekki bedeute 'eiserner Reiter'. Die Kanji für Naifanchin bedeuten 'die geerdete Innenklaue'. Naifanchin und auch Tekki stehen wohl eher für den Charakter dieser Kata. Sie bietet eine hohe Stabilität bezüglich ihrer Fuß- und Beinstellung, was sich schon allein aus dem durch im Kiba-Dachi abgesenkten Körperschwerpunkt ergibt. Neben der Stabilität, der Verwurzelung mit der Erde zeichnet sich diese Kata auch durch eine hohe Beweglichkeit aus.

Die Stabilität einerseits und die hohe Beweglichkeit andererseits funktionieren aber nur, wenn der Stand Kiba-Dachi nicht verspannt ausgeführt wird. Und das können wir dann tatsächlich aus dem Reiterstand lernen: die Knie zeigen immer in Richtung der Füße, sie sind weder nach innen noch nach außen gedreht; die Beine sind breit, aber eben nicht übermäßig und unnatürlich breit; der Stand ist niemals so tief, dass sich die Knie auf Höhe der Hüfte befinden. Wird dieser Stand dann so natürlich und bequem ausgeführt, wird er auch niemals gesundheitlich schaden.


Geübt werden in der Kata Naifanchin / Tekki insbesondere geradlinige Bewegungsformen, Stabilität und tiefe Stellungen.

Das Vorkommen des sogenannten Stampfen des Fußes in der Kata dient in der Realität einem Stampftritt auf das Bein oder das Sprunggelenk des Gegners. Beim Ausführen der Kata sollte daher das harte Stampfen auf den Dojo-Boden überdacht werden, es schädigt langfristig nur die Fuß-, Knie- und Hüftgelenke; und gibt dadurch nicht den Sinn dieser Tritte wieder.

Der Stand Kiba-Dachi ist die Grundstellung dieser drei Kata. Es muss darauf geachtet werden, dass beim Ausführen der Techniken die Hüfte stets auf einer Höhe bleiben muss. Besonders wichtig ist die jeweilige Blickrichtung, die sich in diesen Kata sehr oft ändert. Das blitzartige Drehen des Kopfes ist besonders wichtig und gibt den Tekki Kata ihren speziellen Ausdruck. Der stabile und sichere Stand im Kiba-Dachi darf nicht durch die seitlich oder nach vorne ausgeführten Armtechniken und durch die Blick- und Richtungswechsel beeinflusst werden.

Tekki Shodan und Tekki Nidan enthalten keine gefährlichen Angriffstechniken. Die Tekki Sandan ist recht aggressiv mit einer hohen Dynamik.