Kata Bassai-Dai

Bassai-Dai, sie ist eine der bekanntesten Kata im heutigen Karate.
Die Kata Passai, besser bekannt unter dem Namen Bassai-Dai, gibt es in fast allen Stilrichtungen des Karate, immer angepasst an deren Besonderheiten. Zudem gibt es sie teilweise noch in einer Art Kurzversion, der sogenannten Bassai-Sho.

Von der Bassai-Dai gibt es heutzutage mindestens 13 verschiedene Versionen. Sie ist eine Kata, bei der viel auseinandergenommen, gemischt und beliebig wieder zusammengesetzt wurde. Sowohl die Version von Matsumura Sokon (1797-1889), die Matsumura no Passai, als auch die Version von Oyadomari Kokan (1827-1905), die Oyadomari no Passai, sind die beiden ersten Versionen, die auf Okinawa gelehrt wurden. Ein Einfluss bezüglich der Kampfkünste aus China gilt als gesichert. Einige Jahre später gab es dann eine Version von Itosu Anko, und so weiter, die Kata jeweils ein wenig verändert. Alle Passai unterscheiden sich in technischen Details, sind sich aber von ihrer Grunddynamik und ihrem Embusen her sehr ähnlich.

In der Version von Matsumura Sokon wurden fast alle Bewegungen in der Katzenfußstellung Neko-Ashi-Dachi ausgeführt. Funakoshi Gichin vereinfachte dies zu Zenkutsu-Dachi und Kokutsu-Dachi.

Diese Bassai-Dai Version von Funakoshi Gichin, die im Shotokan Karate gelehrt wird, geht aus der Version von Itosu Anko hervor, beide sind vom Grundmuster her identisch, nicht aber von der Ausführung der Techniken. Die Version von Funakoshi Gichin hat einen eher sportlichen Charakter, sie wird sehr kraft- und bewegungsbetont ausgeführt. Sie beginnt schon mit Schwung, das Anreißen des rechten Knies und das weit nach vorne gebrachte Absetzen in Neko-Ashi-Dachi ist ein Beispiel dafür. Die Mikazuki-Geri, gefolgt von den Hiza-Geri und Yama-Zuki Kombinationen zum Ende der Kata sind ein weiteres Beispiel dafür, wo mit Schwung in den Zenkutsu-Dachi gewechselt wird.

Ohne auf die Einzelheiten hier eingehen zu können, ist die Version im Shito-Ryu noch variantenreicher, graziler und schneller als die des Shotokan-Ryu, die ehre stabiler und kraftvoller wirkt. Für Wettkämpfe wird deshalb gern die Shito-Ryu Variante gewählt.

Alle Passai/Bassai enthalten ein dreimaliges Vorgehen, gefolgt von einen Schritt rückwärts. Sie alle haben einen dreifachen Simultanstoß (wie den Yama-Zuki) in Verbindung mit einem Wechselschritt. Des Weiteren enthalten alle einen Tritt zur unteren Stufe. Es gibt keine Sprungtechniken oder sonstigen spektakulären Aktionen in den Passai Kata.

Fast alle heutigen Passai Kata beginnen und enden mit einer Form von 'Horan no kamae' Handhaltung, die rechte Faust wird dabei von der linken Hand umschlossen. Diese Art der Handhaltung, zusammen mit der ursprünglichen gekreuzten Fußstellung, bietet nicht wirklich Stabilität in dem Sinne, dass man hier von einer Angriffs- oder gar Abwehrtechnik sprechen könnte. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei eher um eine Art Grußformel, bevor die wirkliche Handlung der Kata erfolgt. Hier wird eher symbolisch und energetisch der Schutz der Familie, des Selbst uvm. praktiziert.

Der Beginn der Kata Bassai-Dai kann zwei Bedeutungen haben: (a) Es handelt sich um eine doppelte Grußformel. Zunächst einmal mit der eben beschriebenen Horan no kamae Haltung. Die dann folgende Handhaltung, bei der die linke Handfläche an der rechten Faust anliegt, wurde in China auch als das 'Eintreten in das Tor der Hung' bezeichnet. Erwiderte ein Unbekannter einen solchen Gruß, wusste man, dass man ihm trauen konnte, und der Kampf hatte sich erübrigt. (b) Es handelt sich sowohl bei der Horan no kamae Haltung und den darauf folgenden Morote-Uchi-Uke bereits um eine Abwehr- bzw. Angriffstechnik.

Bassai-Dai wird oft übersetzt mit 'eine Festung erstürmen' oder 'Mauern eintreten'. Ob das so zutrifft, ist fraglich:

Alle Passai/Bassai haben, von kleinen Abweichungen abgesehen, ein fast identisches Embusen, was jedoch eher an die Verteidigung einer Burg oder Festung, als an deren Belagerung oder Erstürmung erinnert. Vielleicht geht es auch, philosophisch betrachtet, eher um die Verteidigung der eigenen Festung, des eigenen Hauses, des eigenen Lebens, oder gar des eigenen Selbst. Auch die vielen Drehungen und Wendungen erinnern nicht wirklich an die Belagerung oder Erstürmung einer Burg.

Gemäß den fünf Elementen Erde, Wasser, Feuer, Wind und Leere folgt die Bassai-Dai dem Element 'Erde'. Die Techniken sind fest, konsequent und kraftvoll. Die tiefen Stellungen wirken wie mit der Erde verwurzelt. Die Abwehrtechniken werden entschlossen und kompromisslos, fast schon aggressiv ausgeführt.

Matsumura Sokon war geprägt durch den klassisch-chinesischen Kampfstil des Klosters Shaolin und von den Prinzipien des japanischen Schwertkampfes. Eine seiner Maxime für den Kampf war die Strategie des zuvorkommenden Schlages, d.h. der Sieg wird durch einen frühen, hochwirksamen und strategisch entscheidenden Schlag erreicht. Dies wird deutlich in den in den Kata enthaltenen starken Techniken, die auf schnelle Resultate ausgelegt sind.

Die Kampfstile Chinas und auch des Klosters Shaolin umfassen die fünf klassischen Tierstile Drache, Schlange, Kranich, Tiger und Leopard. Jeder Tierstil deckt dabei eine spezifische zu lernende Fähigkeit ab.
Eine nicht nachgewiesene, aber schlüssige These besagt, dass die Kata aus Elementen des Pao-chuan, der Faust des Leoparden entwickelt wurde. Der Leopard trainiert die Muskeln, er bedient Schnelligkeit, Beweglichkeit und Sprungkraft. Die hohe Dynamik und die kraftvoll-elastischen Angriffs- und Abwehrsequenzen in der Bassai-Dai passen doch schon irgendwie zum Bild des Leoparden.

Im Shotokan Karate ist die Kata Bassai-Dai nach dem Erlernen der fünf Heian Kata und der Tekki Shodan die erste große Pflichtkata, die jeder Karateka lernt. Hier lernt man die Basis, auf der alles aufbaut.

Embusen der Kata Bassai-Dai: Bild Embusen Kata Bassai-Dai

Ablauf der Kata in Schriftform: PDF-Bassai-Dai

Illustrierter Ablauf der Kata: Bassai-Dai Download